Sonntag, 10. April 2011

[Musical] … wir fallen und nichts, was uns hält. ("Tanz der Vampire", 09.04.2011)

Spontanbesuch bei Tanz der Vampire und Drew Sarich als Graf von Krolock. Ja, ja und noch mal ja! Es war fantastisch und wenn ich jetzt ins Schwärmen gerate und anfange zu klingen wie ein 14-jähriges „Fan-Girlie“, dann bitte ich um Entschuldigung. Zum vierten Mal habe ich diese Produktion nun gesehen und zum ersten Mal hat es sich richtig angefühlt. Stimmig war das Wort, das meine beste Freundin gewählt hat und es ist das passende Wort. Drew Sarichs Interpretation ist stimmig. Da passen die Gesten, da sitzt jede Bewegung und endlich, endlich kommt das Gefühl bis zu uns in den zweiten Rang, das die letzten Male immer irgendwie gefehlt hat. Nicht dass man mich falsch versteht, Thomas Borchert war gut. Er hat in den vielen Jahren, die er die Rolle nun schon interpretiert hat, seine eigene Version gefunden und eine Routine auf sehr hohem Niveau gefunden. Aber die Routine hat man durchgespürt, die Bewegungen wirkten stellenweise geradezu mechanisch auf mich, seine Schritte ferngesteuert wie die eines Roboters und mit seiner Bühnenpartnerin Marjan Shaki hatte er (vor allem bei "Totale Finsternis") kaum Chemie. Wie gesagt, es war - wenn ich es drastisch ausdrücke - scheitern auf höchstem Niveau und immer noch um Welten besser als die eine Vorstellung mit Jan Ammann, die ich in Oberhausen sehen durfte.
Aber gestern hatte ich das Gefühl einen Eindruck davon zu bekommen, wie es damals für die war, die die Uraufführung in Wien gesehen haben. Warum dieses Stück eine derartige Faszination ausübt und mittlerweile eine so große Fan-Basis hat. Denn auch wenn Sarah, Alfred und der Professor viel mehr Zeit auf der Bühne verbringen, die Atmosphäre einer Vorstellung steht und fällt zumeist mit der Ausstrahlung von Krolocks. Ohne seine Präsenz funktioniert die Geschichte nicht, denn er muss Sarah in seinen Bann ziehen. Drew Sarich hat sie, die nötige Ausstrahlung und Bühnenpräsenz. Bis in den zweiten Rang hinauf. Gleich von Anfang an und wenn er bei "Gott ist tot" oder "Einladung zum Ball" seinen Umhang schwingt, dann hat man das Gefühl, dass er es genau an dieser Stelle machen wollte und nicht musste, weil das die Choreographie so vorherbestimmt hat. Unglaublich interessant zu sehen und zu hören, wie er an manchen Stellen die Zeilen etwas anders aussingt als gewohnt, wie er nicht nur in den tiefen sondern auch in den hohen Tönen sicher ist, wie er seine Kopfstimme einsetzt. "Die unstillbare Gier" hat mich endlich wieder so gefesselt, wie sich das für dieses Lied gehört.
Auch die Interaktion mit Sarah (Barbara Obermeier), Alfred (Sebastian Smulders) und dem Professor (Gernot Kranner) war erfrischend. Zum Beispiel wie er beim Finale des 1. Akts Alfred ansingt, ihm richtig nahe kommt und gleichzeitig eine gewisse, erhabene Distanz bewahrt. Spannend. Oder "Totale Finsternis", das nun endlich nicht mehr ein Duell ("zwei Soli nur halt zur gleichen Zeit" wie es meine Freundin ausdrückte) sondern ein Duett ist. Sie singen miteinander und es ist zu spüren, dass nicht nur von Krolock Sarah fasziniert sondern auch umgekehrt. Wenn er zurückzuckt als sie sich im anbietet und er beschließt, dass es noch nicht Zeit ist, ist zu spüren, dass ihm das nicht leicht fällt. Er ist viel näher bei ihr, er berührt sie viel mehr, als könne er kaum loslassen. Das setzt sich dann auch fort, wenn er sie beim Ball wirklich in seine Welt holt und an der Hüfte näher zu sich zieht. Wenn er ihr beinahe schon liebevoll übers Gesicht streicht. Lauter kleine Details, die seinem Krolock neue Facetten und neues Leben geben.
Er ist anders. Das muss man festhalten und ich bin mir sicher, dass genau das auch vielen nicht gefallen wird, aber mich hat es überzeugt. Sarich ist ein eindeutig jüngerer Krolock als seine Kollegen, er betont andere Seite an der Rolle und legte sie ingesamt viel menschlicher an ohne die Erhabenheit zu verlieren, die Krolock ebenso ausmacht. Außerdem zeigt er ein komödiantisches Talent, das an den richtigen Stellen auflockert. Er schafft damit eine eigenständige, großartige Interpretation. Vermutlich ist er auch der Einzige, der das Finaloutfit tragen kann ohne sich vollends der Lächerlichkeit preiszugeben.

Natürlich hat gestern Abend nicht nur Drew Sarich auf der Bühne gestanden. Wie waren also die anderen. Barbara Obermeier war eine sehr gute Sarah. Sie unterscheidet sich nicht wesentlich von Marjan Shaki, hat aber eine angenehmere Stimme, die auch in den Höhen nicht "quietschig" wird und unangestrengt bleibt. Sebastian Smulders gibt einen soliden Alfred. Schauspielerisch hat er mir gut gefallen, was den Gesang angeht eher weniger (besonders bei "Draußen ist Freiheit" hatte er Probleme, die im Vergleich zu Barbara Obermeier noch mehr aufgefallen sind). Sein "Für Sarah" war sehr enthusiastisch, fast schon etwas zu viel. Gernot Kranner ist ein überzeugender Professor. Er hat mindestens genauso viel Routine wie Thomas Borchert, aber in diesem Fall schlägt es nicht in Langeweile um. Melanie Ortner, die neue Magda, hat eine kräftige Stimme und schreien kann sie. Mit Marc Liebisch als Herbert werde ich immer noch nicht warm, einmal ist er mir zu aggressiv, dann wieder nichts sagend. Zu erwähnen sind diesmal auch noch Sven Fliege und Florian Theiler, die für die Nightmare Soli zuständig waren und mich nicht gequält zusammenzucken haben lassen.

Bleibt noch die Produktion allgemein zu kommentieren: Die Ästhetik der Inszenierung erschließt sich mir nicht immer. Ich kann mich  nicht wirklich damit anfreunden, dass Krolock nun in einer Kirche wohnt. Gott ist tot und so weiter, aber ich weiß nicht. Die Kostüme - besonders die des Finales - sind ein ganz eigenes Kapitel und überzeugen mich nicht vollends. Genauso wie einige Kürzungen, diese sind zwar der aktuellen Version nicht zu eigen, aber das macht es nicht besser. Besonders wenn man einen so tollen Krolock hat, ist es schade, dass es "Wohl dem Mann" nicht mehr gibt und "Totale Finsternis" so stark gekürzt ist. An anderen Stellen sind Längen geblieben, aber das ist vermutlich auch nur persönliches Empfinden. Schade ist auch, dass auch die Orchestrierung nicht mehr so voll klingt wie früher. Aus dem zweiten Rang ist es auch interessant zu sehen, wie leer die Bühne an manchen Stellen wirkt. Während "Ewigkeit" und eben im Finale des 2. Akts. Aus dem Parkett fällt das gar nicht so auf.
Was mich aber jedes Mal ungläubig den Kopf schütteln lässt ist das "neue" (ich sage lieber veränderte) Ende. Denn ich finde es furchtbar. Man merkt, dass es einmal anders war. Der Übergang von den Zeilen des Professors zum Finale ist unrund und den Sinn hinter Krolocks Auftritt in der Szene habe ich immer noch nicht verstanden. Er steht da und lacht. Warum? Als wäre das nicht schon genug, kommt dazu jetzt noch der groß beworbene Vampirflug. Die Personen rund um mich herum, haben sich vermutlich über mich gewundert. Denn ich habe gelacht. Es ist so unpassend. Es passt nicht zur Atmosphäre des Stücks. Es passt nicht zu Krolocks Charakter. Es passt nicht. Abgesehen davon, dass die beiden Helfer, die das Double oben in Empfang nehmen und wieder abschnallen etwas sanfter hinsetzen könnten, sodass nicht die ganze Sitzreihe es mitbekommt. Dass Krolock im Finale mit auf der Bühne steht und auch Sarah und Alfred noch einen Auftritt haben, ist für mich weiterhin nicht notwendig und die Outfits dazu sind ... nein, ich lasse sie besser unkommentiert.

Mein Fazit: Die aktuelle Wiener Produktion hat einige Schwächen und das abgewandelte Ende ist bestenfalls diskutabel. Der Vampirflug absolut unnötig. Für Drew Sarich allerdings zahlt es sich trotzdem aus, der Produktion noch einen Besuch abzustatten und sich faszinieren zu lassen.

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1 Kommentar:

  1. Danke für diesen netten Bericht, dem ich angefangen bei Drews Beschreibung bis hin zur eigenartigen Kirche und dem musikalisch unpassend beginnenden Ende mit drei Personen zuviel absolut zustimmen kann :)

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