Samstag, 12. Oktober 2013

[Musical] "Sweeney Todd" (Volksoper, 05.10.2013)

Sweeney Todd - Blutbad in der Volksoper

„Es gibt nur ein London“ singt der Seemann Anthony, als die Geschichte um Sweeney Todd, den Barbier des Grauens“ in der Fleet Street beginnt. Dieses London, zur Zeit der Industriellen Revolution ist in der Wiener Volksoper als Auftakt zur neuen Saison neu auferstanden.

Sweeney Todd kehrt mit dem Seemann Anthony in seine alte Heimat London zurück. Sein Weg führt ihn zu seiner alten Wohnung unter der sich nun ein Laden für Fleischpasteten befindet. Mrs. Lovett, dessen Besitzerin, ködert ihn in seinen Laden. Und so wird der ehemalige Barbier von seiner Vergangenheit eingeholt. Richter Turpin ließ ihn vor Jahren verbannen, seine Frau Lucy verfiel dem Wahnsinn und seine Tochter Johanna wird vom Richter großgezogen, der sie zudem noch heiraten will. Sweeney Todd schwört Rache und wird zu einer Killermaschine, schneidet, seinen alten Beruf als Barbier wieder aufnehmend, seinen Kunden die Kehle durch, mit dem praktischen Nebeneffekt, dass Mrs. Lovetts Fleischvorrat gefüllt und ihr Geschäft wieder zum Laufen gebracht wird. Solange bis alles aus dem Ruder läuft...

Die Inszenierung von Matthias Davids selbst ist gut gelungen. Als Mrs. Lovett dem nach London zurück gekehrten Sweeney Todd erzählt, was Richter Turpin seiner Familie antat, wurde dies aufwändig (Besonders zu erwähnen sind hier die Kostüme von Susanne Hubrich) im Hintergrund inszeniert. Fabrice Kebour tauchte die Szenerie in kaltes Licht. Besonders am Ende des zweiten Aktes wird das Licht klug eingesetzt und formt das Bühnenbild in verschiedene Ortschaften und Stimmungen. In Mrs. Lovetts Strandurlaubs-Lied wäre ein verträumteres Lichtdesign wünschenswert gewesen, das hätte das Lied unterstützt. Etwas unlogisch war die Tatsache dass allein bei der Ermordung von Sweeney Todd kein Kunstblut floss (oder spritzte).
Die Übersetzung aus der Feder Wilfried Steiners ist gelungen, auch wenn sie vom Reimschema und Intonation dem Original nicht das Wasser reichen kann. Nur die Zeile „Wir tratschen und ich hol' dir die Patschen“ passte stilistisch nicht zum Rest der Übersetzung.
Bühnenbildner Mathias Fischer-Dieskau zeigt und ein kühles, in Grautönen und rot gehaltenes  Maschinerie-London. Riesige Zahnräder als Flächen und Schrauben als Säulen sollen den Zuschauer darauf aufmerksam machen, dass wir uns in der Zeit der Industriellen Revolution befinden. Hier bekommt der Einsatz der Drehbühne zusätzlich noch einen Fabrikcharakter.
Erfrischend anders als der Großteil der heute in Wien zu sehenden Musicals ist der Gesang. Während wir heute in anderen Häusern zumeist „Rockopern“ lauschen und auch der Gesang der älteren, operettenhaftigeren Stücke immer mehr in Richtung Pop geht, eine Kaiserin Elisabeth, anstatt sauber ihre Töne zu singen, ihre Zeilen beltet oder notfalls nur noch schreit, darf man bei „Sweeney Todd“ in der Volksoper noch klassisch ausgebildeten Stimmen lauschen, was dem ganzen Stück eine ganz andere Qualität verleiht. Das Team von Sweeney Todd beschränkte sich auf die hauseigenen Sänger anstatt extern zu casten. Dadurch ist der Gesang zu der teils pompösen Komposition Stephen Sondheims, die gekonnt vom Orchester unter der Leitung von Joseph R. Olefirowicz umgesetzt wird, durchaus passend.
Die Sänger taten einen guten Job. Marco Di Sapia spielte an diesem Abend Sweeney Todd und war sowohl gesanglich als auch darstellerisch sehr überzeugend. Statt Volksopern-Direktor Robert Meyer schlüpfte Kurt Schreibmayer in die Rolle des Richter Turpin und gab einen passionierten Antagonisten.  Dagmar Hellberg war eine überzeugende Mrs. Lovett, verzweifelt, tragisch aber auch lustig. Allein Anita Götz als Johanna, Sweeneys Tochter, war enttäuschend. Ihr eigentlich melancholisches Solo „Grünfink und Nachtigall“ klang wütend und trotzig. Ihr Spiel war unglaubwürdig, wurde gegen Ende, als ihr Charakter aus dem Irrenhaus flieht, aber glaubwürdiger.

Fazit: Sweeney Todd ist ein durchaus sehenswertes Musical, skurril, gut gesungen und ein Stück mit Qualität, derer es in Wien mehr geben sollte.

(c) Natalie S.

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