Sonntag, 20. Oktober 2013

[Musical] "Tick, tick ... BOOM!" (Theater Drachengasse, 08./12.10.2013)

Es ist immer schön, wenn man recht hat und ganz besonders, wenn das auch mit zwei überaus unterhaltsamen/berührenden Besuchen im Theater verbunden ist. Vor einer Weile hatte ich in diesem Blog blind empfohlen, sich doch Tick, tick ... BOOM! im Theater Drachengasse anzusehen, da mich die Erfahrung gelehrt hat Produktionen des vienna theatre projects erstmal hohe Erwartungen entgegen zu bringen. Nun, nachdem ich das Musical jetzt zweimal gesehen habe (einmal abends und dann noch die Zusatzvorstellung am Samstagnachmittag) fühle ich mein vorauseilendes Lob vollkommen bestätigt. Was da in kleinem Rahmen, mit wenig Budget und (offensichtlich) viel Engagement auf die Beine gestellt wurde, war wirklich sehenswert.

Tick, tick ... BOOM! ist ein autobiographischer Einakter von Jonathan Larson (seines Zeichens auch verantwortlich für den Hit RENT) der von Ängsten und Sorgen eines Musicalautors erzählt. John wird bald 30 und verdient, obwohl eigentlich Musicalautor, seinen Lebensunterhalt immer noch mit Kellnern. Sein bester Freund Michael hat den Traum vom Schauspielern längst aufgegeben und ist erfolgreich im Marketinggeschäft tätig, inklusive luxuriöser Wohnung auf der East Side und neuem BMW. Seine Freundin Susan will weg aus New York, Sicherheit und eine Familie gründen. John will lediglich das amerikanische Musical revolutionieren, wie sein Idol Stephen "He-Who-Must-Not-Be-Named" Sondheim. Aber wie lange soll er diesem Ziel noch folgen? Wann ist es Zeit das Leben eines "starving artist" aufzugeben? Ist ein solides, gesichertes Leben das Opfer der eigenen Träume wert? Wie geht man um mit Unsicherheit, Ängsten und Sorgen um?
Erzählt wird die Geschichte mit intelligenten ("Therapy"), witzigen ("No More", "30/90") und berührenden ("Real Life", "Why") Texten und einer Mischung aus Pop- und Rockmelodien. Eine der besten Nummern ist übrigens "Sunday", das - wunderbar parodistisch - unglaublich banalen Text mit einer übertriebenen Musical-Grandezza in Musik und Choreographie verbindet. Dass RENT ebenfalls aus Larsons Feder stammt ist an manchen Stellen nicht zu überhören, tut der Unterhaltung aber keinen Abbruch. Etwas gewöhnungsbedürftig ist allerdings die Erzählstruktur. John ist nicht nur Protagonist, er führt auch als Erzähler durch das Stück, erklärt, und kommentiert. Die meiste Zeit funktioniert das sehr gut, nur wenn John sagt "I was afraid", ist man schnell daran zu denken, dass es da doch diese "Show - don't tell"-Regel gibt (glücklicherweise wird der "Tell-Teil" dann eh drei Sekunden später umgesetzt). Auch das ziemlich fröhliche Alles-wird-gut-Ende kommt ein wenig zu schnell.

Als John stand Kieran Brown auf der Bühne, der in dieser Rolle vollends überzeugen konnte. Mit subtilem Sarkasmus oder großartigem Timing für die komischen Momente, vor allem aber mit seiner warmen Stimme, die nur ein einziges Mal im Moment höchster Emotionalität ein wenig bricht. Wow.  Ihm zur Seite standen Alan Burgon und Nina Weiss. Burgon hat eine Art, die ihn auf der Stelle sympathisch macht, eine kräftige Stimme, die in Erinnerung bleibt und spielt überzeugend. Meine Freundin und ich waren uns nicht ganz einig, wen der beiden Herren wir besser fanden. Weiss gibt eine sympathische Freundin, gefällt aber vor allem als Agentin und überdrehte Darstellerin in Johns Stück. Alle drei spielen fantastisch miteinander.

Joanna Godwin-Seidl bewies wieder einmal ein Gespür dafür, wie man den kleinen Raum optimal nutzen kann. Die kleine Band (Schlagzeug: Franz Hofferer, Gitarre: Roman Schwendt) unter der Leitung von Birgit Zach (auch am Piano) trug ebenfalls zu einem wunderbaren Theatererlebnis bei.

Fazit: Tick, tick ... BOOM! in der Drachengasse war eine wirklich sehenswerte Produktion des vienna theatre projects. Verdienterweise ausverkauft und mit einer Zusatzvorstellung geehrt. Schade, dass es nur so kurz zu sehen war.

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